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Recht ist nicht Gerechtigkeit


Ramingstein/Lungau - Die Geschichte ist schnell erzählt und könnte von jeder beliebigen Bauerntheatergruppe aufgeführt werden: Im Jahre 1688 zog das Elend in Ramingstein im Lungau ein, da der Bergbau die Mäuler nicht mehr zu stopfen wusste. Immer mehr Menschen verfielen dem sozialen Elend. War mensch besitzlos, wurde von der Kirche das Sakrament der heiligen Eheschließung verwehrt. Eine Gruppe von jungen Menschen – Bettler und Außenseiter – kam auf die Idee, selbst eine Ehezeremonie zu halten, um einen Grund zum Feiern zu haben. Als die Kirche davon erfuhr, wurde die Bettlerhochzeit als „schwarze Hochzeit“ hingestellt. Somit war der Teufel im Spiel und die Inquisition konnte ihr übriges tun.

Im 17. Jahrhundert liefen im Salzburgerland diverse Hexenprozesse. Ganz besonders im Visier hatten die Machthaber den Zauberer und Hexenmeister Jakob Koller, der von den Einheimischen „Zauberer Jackl“ genannt wurde und über den viele unheimliche Geschichten erzählt wurden. Zum Beispiel sollte er im Besitz einer Salbe gewesen sein, die ihn für 24 Stunden in einen Wolf verwandelte. Im Jahre 1678 sind in Salzburg über 100 Anhänger des Zauberers Jackl hingerichtet worden.

Genug des historischen Hintergrundes. Vorausgeschickt schon erwähnt: Der Abend konnte perfekter nicht sein. Am Vortag noch musste das Open-Air-Schauspiel auf Grund eines starken Gewitters abgesagt werden. An diesem Abend jedoch spielte das Wetter mit und kurz vor Aufführungsbeginn durften sich die Besucher des Anblicks eines Regenbogens erfreuen, der sich über den Bergen wölbte. Schon der Einlass brachte die richtige Stimmung mit sich: Die Besucher kamen durch den Stall zum Aufführungsgelände. Im Stall befanden sich schon die Schauspieler, die keuchend und hustend in den Schweineboxen verharrten. Mensch fühlte sich schon ab diesem Zeitpunkt in die Vergangenheit zurückversetzt.

Das Motto des Stückes war von Beginn an unübersehbar ständig gegenwärtig. Die KellnerInnen, die Musiker, die BühnenarbeiterInnen und Techniker, alle hatten sie das gleiche schwarze T-Shirt an, mit der Aufschrift „Recht ist nicht Gerechtigkeit“. Dieses Motto war zur Zeit des Zauberer Jackl, vor seiner Zeit und nach seiner Zeit stets aktuell, und wird auch noch nach unserer Zeit aktuell bleiben.

 


Schon als die Schauspieler zu spielen begannen, wusste jeder, dass dieser Abend etwas ganz besonderes werden würde und ein neues Licht auf das Genre Heimattheater werfen würde. Eine gewaltige Professionalität wurde an den Tag gelegt, Mimik und Gestik einiger Schauspieler waren so überwältigend, dass mensch das Hier und Jetzt vergaß. Besonders auffallend waren die Performances von Klaus Steinschnack, der im Stück den Bräutigam Joachim Grädenegger verkörperte, und von Elisabeth Strauß, der Bettlergretl, der nachgesagt wurde, dass sie mit dem Zauberer Jackl in Verbindung stehe.

Dass sich diese Inszenierung mit dem Verhältnis von Machthabern und Unterdrückten auseinandersetzt, wurde auch räumlich veranschaulicht. Der Richter, gespielt von Robert Wimmer, verharrte stets im ersten Stock eines roten Kreuzes. Die angeklagten Bettler befanden sich lange Zeit im Kerker unterhalb des Richters. Oben blitzblank, unten voller Gestank.

Auch eine ganz brandaktuelle Thematik kam im Stück zum Tragen. Als der Herr Pfarrer mit dem stummen Bettler Rüppl verschwand, schrie die Bettlergretl hinterher: „Das der Herr Pfarrer nur ja nichts Unanständiges mit dem Rüppl anfängt!“ Es war schön zu sehen, dass in einem Bergbauerndorf, das sicherlich katholisch angehaucht ist, solche Sprüche beim Publikum die richtige Reaktion auslösen, auch wenn sich manche peinlich berührt gefühlt haben mögen. Bei solchen Themen sollte gelten: Schweigen ist Silber und Reden ist Gold!!!

Und diesem Motto nimmt sich die Lungauer Band Querschläger schon seit langer Zeit an. Ganz besonders beeindruckend bei ihrer akustischen Untermalung war der Song „1000 Foia“ (tausend Feuer). „In Herrgotts Nåm / um Wåhrats willn / leuchtnt 1000 Foia / fi de Måcht und Herrlichkeit / … / brinnant 1000 Foia / jedn Tåg und jede Nåcht / geahnt bis heit no Leit ins Foia / håt ins de gånze lånke Zeit nid weitabråcht?“ Nein, die ganze lange Zeit hat uns nicht weitergebracht, wenn mensch sich besonders außenpolitische Geschehnisse ins Gedächtnis ruft. Noch immer „brennen“ Menschen für diejenigen, die die Macht fest in Händen halten. Was in den schlauen Büchern als Recht definiert wird, ist im wirklichen Leben nicht immer Gerechtigkeit.

Bericht und Fotos Stephanie Bürgler