Salzburger Nachrichten

(Unveränderter Text, heruntergeladen von der Online-Ausgabe vom 02.03.07)

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Die Heimat jenseits der Berg-Taliban
02.03.2007

Der Freiheitskampf kennt große Lieder. Einige davon stammen von der Band Querschläger, die furchtlos und unerbittlich fragt, was alles eine Heimat sein kann.

BERNHARD FLIEHER MATTSEE, SALZBURG (SN). Die Festung heißt Stammtisch. "Da sitz'n die, die imma da sitz'n", heißt das Gesetz einer Welt, die von einer Ortstafel zur nächsten, von einem Bier zum anderen reicht. Die Elite des engen Horizonts führt Wort. Fremde sind gut, wenn sie Fremdenzimmer belegen. Aber wehe, sie sind Asylanten. "Dann brennt die Idylle", sagt Fritz Messner. Über solche Brände singt der 44-Jährige.

Messner ist Texter und Sänger der Querschläger. Die Sieben-Mann-Band aus dem Lungau wurde in den vergangenen 15 Jahren mit acht CDs und rund 400 Live-Auftritten zu einer der bedeutendsten Dialektbands Österreichs.

Das liegt an ihrer Vielseitigkeit zwischen Volksmusik und Pop und deren Verschmelzung. Vor allem aber liegt das an der ungeheuren Konsequenz, mit der sie den Begriff Heimat ausloten. Respektlosigkeit zu jeder Heimatdümmelei und Verehrung der Tradition, wenn sie Anknüpfungspunkte zu gegenwärtigen Umständen herstellt, prägen eine Suche nach Wurzeln und Unkraut.

Deutlicher als beim aktuellen Programm "hoamat|welt" wurde das nie. Heute, Freitag, starten die Querschläger in Salzburg ihre neue Tournee (Info: www.querschlaeger.at). In Mattsee gab es vergangene Woche einen Vorgeschmack.

In "hoamat|welt" wird ein Freiheitskampf geführt. Die Feinde heißen Ignoranz, Dauerberieselung und Schicksein ohne Hirn. Der Konzeptabend brennt vor Sehnsucht, eine literarisch-musikalische Gegenwelt zu den "inneralpinen Taliban" (Messner) an den Stammtischen zu schaffen. Nachgespürt wird nicht nur Heimatklischees, sondern auch neuen Bräuchen wie dem Besuch von Shoppingcentern.

Thematisch ist das eine g'mahte Wies'n, musikalisch eine Mutprobe. Einige Songs spielen mit den süßlichen Sujets der volkstümlichen Szene. Das ist gefährlich, kann aber nie falsch verstanden werden, weil mit Ironie dem Repertoire der Freiheitskampfhymnen große Songs hinzugefügt werden.

Da ist etwa jener Song, bei dem sich herausstellt, dass die Zeile "Ich hob a Hoamatgf'ühl" melodisch genau mit Rainhard Fendrichs "I am from Austria" zusammenpasst. Die Querschläger waten musikalisch durch Pathossumpf. Die Musik klingt nach Lobpreisung volkstümlicher Art, die aber als dummer Chauvinismus enttarnt wird: "Hoamat kimmt vor Demokratie."

Fendrichs unheimliche Nationalhymne, das unreflektierte Anbeten von Klischees unter Vortäuschung großen Gefühls, wird hier zu einer Bestandsaufnahme kleinformatiger Denkweise. Die Radikalität, mit der die Fratze des schön heiligen Scheins heruntergerissen, hat reinigende Wirkung.

Das wird auch jenseits der Dialektgrenzen funktionieren. Ende Juni etwa spielen die Querschläger beim Wiener Donauinselfest auf der Hauptbühne. Einen Kulturschock wird es nicht geben. Wenn sie von stadtflüchtigen Esoterikwahnsinnigen oder Ausrichtmechanismen beim Kaffeetratsch singen, wird wie selten zuvor im Querschläger-Werk deutlich, dass der Blick weit über den Tauern geht.

Aber wo nun finden wir eine "Heimat"? Eine geografische oder ideologische Begrenzung lässt Messner nicht zu. Dafür aber eine emotionale. Dementsprechend geschickt ist auch die Zweiteilung des Abends. Zunächst wird die Außenwelt beobachtet - folgerichtig endet der erste Teil mit der Frage, wo die Heimat aufhört. Nach der Pause eröffnet die Frage, wo die Heimat anfängt, und damit erfolgt der Schritt in die Inwendigkeit, eine Reise durch tiefe persönliche Erfahrungen und Enttäuschungen.

Deutlich wird, dass die Frage falsch gestellt ist: "Dahoam" ist weniger eine Frage des Wo. Es ist eine Frage des Woher und Wohin. Davon erzählen die Querschläger. Zu so einem Reisebericht können die, die stur da sitzen, wo sie immer sitzen, halt nie etwas beitragen.


© SN

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